Die Stadt Weißenburg in Mittelfranken ist für den Archäologiebegeisterten schon seit längerem ein bekanntes Ziel. Die vorzüglich erhaltene römische Terme und die Funde im Römermuseum sind ebenso wie die mittelalterliche Bausubstanz mit ihren Bürgerhäusern und ihrer fast vollständig erhaltenen Stadtbefestigung beeindruckende Zeugnisse der Vergangenheit. In jüngster Zeit sorgte darüber hinaus der Fund eines merowingerzeitlichen Gräberfelds für Aufsehen. Die hier vorgestellte Notgrabung verdient als archäologische Untersuchung einer mittelalterlichen und neuzeitlichen Fundstelle aus dem Stadtgebiet, trotz fragmentarischer Einzelbefunde, Beachtung. Sicher nicht alltäglich war das hervorragende Zusammenspiel von Ausgrabungsteam und dem Leiter des Stadtarchivs, durch das die zahlreich aufgetretenen jüngeren Baubefunde schon während der laufenden Grabung historisch eingeordnet werden konnten.
Anlass der Grabung war eine Baumaßnahme an der ehemaligen königlichen Realschule, der heutigen Berufsfachoberschule. Das Schulgebäude war auf dem Gelände des sogenannten Wildbad Weißenburg im späten 19. Jahrhundert errichtet worden und sollte durch den Bau einer Erweiterung im Hof an die aktuellen Erfordernisse angepasst werden.
Dieser Erweiterungsbau stellte das letzte Glied einer sich über 800 Jahre erstreckenden Nutzungsgeschichte des untersuchten Areals dar. Dieses befindet sich am Südosthang des Stadtplateaus. Bis in die 1370er Jahre lag es außerhalb der Stadt, genauer gesagt im Graben der ersten steinernen Befestigung. Dieser Mauerring ist in großen Teilen noch erhalten und wird in die Zeit um 1200 datiert. Die Befestigung im untersuchten Bereich bestand zunächst aus einer Ringmauer auf der Plateaukante mit einem vorgelagerten Graben. Der Graben war in die Hangböschung eingetieft und besaß eine Breite von mindestens 10 m.
In die zur Stadt hin gelegene Böschung wurde zu einem nicht zu bestimmenden Zeitpunkt eine Zwingermauer eingesetzt. Die genaue Laufhöhe im Zwinger war wegen späterer Eingriffe ebenso wenig feststellbar wie der Zeitpunkt seiner Errichtung. Da das Baumaterial recht genau dem der ersten Stadtmauer entsprach, dürfte der Zwinger nicht wesentlicher später als die Mauer errichtet worden sein. Die Zwingermauer erlitt in der Folge eine deutliche Beschädigung. Im Untersuchungsbereich brach sie an einer Stelle bis auf die Fundamente ein. Sie wurde neu errichtet, wobei durch die Wahl eines neuen Baumaterials die Unterscheidung der alten und der neuen Partien mühelos gelang. Der Zwinger war ursprünglich aus großen Quadern von weichem gelbem Sandstein gebaut. Die Reparaturen hingegen waren aus kleinem und mittelformatigem Kalksteinbruch gesetzt. Dieses Baumaterial fand sich in den Partien der Stadtbefestigung, die im letzten Viertel des 14. Jahrhunderts die südliche Vorstadt in den Mauerring einschlossen. Mit dieser Erweiterung des Stadtgebiets verlor die gesamte innere südliche Stadtbefestigung ihre Funktion. Der große, Wasser führende Stadtgraben stellte nun einen kaum bebaubaren Bereich im Stadtgebiet dar, für den jedoch eine neue Nutzung gefunden wurde.
Im Schlamm des Grabens fanden sich unter späteren Überbauungen und Störungen die Reste von hölzernen Spundwänden. Diese gehörten zu mehreren Fischbecken, wie sie auch weiter westlich, außerhalb des Untersuchungsbereichs, auf einem Stadtplan des Jahres 1726 verzeichnet sind. Die im Grabungsgelände gelegenen Becken sind jedoch deutlich älter. Die dendrochronologische Datierung macht eine Errichtung um das Jahr 1427 mehr als wahrscheinlich. Die Becken besaßen eine Größe von etwa 4 m auf 4 m. Sie dienten deshalb wohl entweder der Aufzucht der Setzlinge oder der Aufbewahrung von verzehrfertigen Fischen für den Verkauf.
Etwa 100 Jahre später erfuhr das Gelände eine Nutzungsänderung. Im Jahr 1537 wurde das reichlich sprudelnde Hangwasser als Quelle gefasst. Im Jahr darauf, 1538, wurde ein Bad eingerichtet, das bald über die Grenzen Weißenburgs hinaus bekannt war. Das Wasser besaß, wie auch heute noch, eine besondere, schlierige Farbe, aufgrund derer ihm Heilwirkung nachgesagt wurde. Kranke und Gesunde versprachen sich Linderung von allerlei Leiden und Unpässlichkeiten. Der detaillierte Bericht des Ansbacher Inspekteurs Johann Rosa aus dem Jahr 1613 vermittelt eine detaillierte Vorstellung der Badeabläufe. Da sich das eigentliche Badehaus an der Stelle des heutigen Schulgebäudes befand, waren hierzu keine archäologischen Befunde zu erwarten. Im Untersuchungsbereich lagen jedoch die Quellfassung und das Kesselhaus, in dem das Wasser für den Badebetrieb erwärmt worden war. Der Schacht der Quellfassung war zuletzt in den 1970er Jahren saniert worden. Zuvor, in der 1930er Jahren, hatte man einen Betonschacht mit einer betonierten Ableitung in die historische, aus Ziegeln gemauerte Fassung gesetzt. Die ursprünglich als Ziegelschacht gesetzt Quellfassung reichte bis zu 4 m unter die heutige Oberfläche und war im Laufe der Zeit deutlich verkleinert worden.
Die Quelle saß im Zwinger direkt an der im 14. Jahrhundert erneuerten Zwingermauer und war vom Bad aus durch einen eingewölbten schmalen Durchgang durch die Mauer von Süden zu erreichen. Der Durchgang diente bis in jüngste Zeit zur Ableitung des Quellwassers in den verrohrten Stadtbach. Dieses Gewölbe in der Stadtmauer wird bereits bei Johann Rosa genannt. Durchgang und Schacht waren mit Ziegeln gefasst. Die Ziegel waren jedoch vor eine ältere, aus Kalkstein gemauerte Einwölbung geblendet. Ob es sich hier um eine ältere Pforte oder um eine frühere Form der Quellfassung handelte, war aus der Befundlage nicht zu klären.
Im Zusammenhang mit einer Quellfassung vor dem 16. Jahrhundert steht allerdings ein Befund, der am westlichen Rand der Grabungsfläche erfasst wurde. Eine in zwei Bauphasen angelegte Wasserleitung führte im Grabenbereich vor der Zwingermauer in Richtung Westen. Die ältere Form bestand aus einer Holzröhre, die als verdrücktes Fragment neben einer Tonleitung geborgen werden konnte. Die Tonleitung entsprach einem weit verbreiteten Typus: Sie setzte sich aus etwa 50 cm langen, ineinander gesteckten Tonpfeifen zusammen. Die genaue Zweckbestimmung der Leitung bleibt unklar. Auch die zeitliche Einordnung der Leitung gestaltete sich schwierig. Belegt sind derartige Leitungen, wie Vergleiche aus den Klöstern Alzey, Abtei St. Johannes und Seligenthal bei Siegburg, aber auch aus dem nahe gelegenen Nürnberg zeigen, spätestens ab dem 14. Jahrhundert. Da die Leitung von dem Fischbecken geschnitten wird, ist eine Datierung vor 1427 anzunehmen. Die Leitung steht damit nicht im Zusammenhang mit dem Badebetrieb.
Für den Badebetrieb wurde das Wasser im Kesselhaus erwärmt, bevor man es in die Badebottiche schüttete. Eine Skizze aus der Zeit um 1800 zeigt den Aufbau des Kesselhauses mit Pumpe und zwei unterschiedlich großen Kesseln. Die Lage des Kesselhauses ging aus einem Stadtplan des Jahres 1802 hervor. Da an dieser Stelle der große Öltank des Schulgebäudes sowie weitere moderne Einbauten lagen, bestand zunächst wenig Hoffnung, Überreste des Kesselhauses im Befund zu bergen. Im Schlamm des Grabens konnten dennoch ein Plattenboden und eine Mauer freigelegt werden. Die Mauer war stark fragmentiert. Ein Auslass zum Stadtbach hin diente der Ableitung von überschüssigem Wasser. Der Plattenboden befand sich auf Höhe des heutigen Grundwasserspiegels. Allerdings gehörte der Boden wohl kaum zu einem der Schürräume, die unter den Wasserkesseln eingerichtet waren. Somit bleibt die Funktion dieses Gebäudeteils zunächst weiter unklar. Er verlor seine Aufgabe mit dem Abbruch der Badeanlage nach 1868 und dem Neubau der Schule im Jahr 1875.
Wenn auch die älteren Befunde eher Rätsel aufgaben, statt sie zu lösen, waren die jüngeren Befunde auf der Fläche gut zu interpretieren. Die Fundamente einer Mühle, östlich in unmittelbarer Nachbarschaft zum Badehaus gelegen, deckten sich mit Planunterlagen aus dem Stadtarchiv. Ebenso konnte die Baugeschichte eines großen Sammelbeckens durch Baupläne belegt werden. Dieses aus Spolien gebaute Wasserreservoir diente nach Abbruch des Wildbades zur Wasserversorgung der neuen Schule und des etwa 100 m weiter westlich neu errichteten Badehauses. Das Reservoir überdauerte bis in die 1950er Jahre, um dann allerdings nachhaltigem Vergessen anheim zu fallen. Seine Existenz war zu Beginn der Grabung unbekannt und es erschien bei den Freilegungsarbeiten zunächst als eindrucksvolles Relikt einer fernen Vergangenheit.
Publiziert in: Jochen Scherbaum, Archäologische Untersuchungen im Wildbad Weißenburg, in Bayerisches Landesamt für Denkmalpflege (Hg.), Das archäologische Jahr in Bayern 2009, Stuttgart 2010, S.150-153
Voruntersuchung AGM, Marcus Dumler M.A.
Literatur:
Hans-Heinrich Häffner, Reiner Kammerl, Das Weißenburger Wildbad, Weißenburg i. Bay 2002
Archivrecherche:
Reiner Kammerl, Stadtarchiv Weißenburg
Dendrodatierung der Fischbecken:
Bericht v 03.01.2010: Bayerisches Landesamt für Denkmalpflege,
Praktische Denkmalpflege/ Archäologische Denkmäler, Referat BV – Restaurierung Archäologie und Dendrolabor, Franz Herzig, Am Klosterberg 8, 86672 Thierhaupten.