Neue Grabung auf dem Stiftsberg in Aschaffenburg
Im Sommer 1999 bot ein Bauvorhaben in der Dalbergstraße die Gelegenheit zu einer weiteren archäologischen Untersuchung auf dem Stiftsberg in Aschaffenburg. Bereits in den Jahren 1995 und 1996 konnten auf dem nahegelegenen Theaterplatz umfangreiche Grabungen durchgeführt werden. Untersucht wurden nun die nicht unterkellerten Bereiche in den Hinterhöfen der Anwesen Dalbergstraße 33 und 35 sowie das Grundstück 53/2
Hier fand zunächst eine Sondage durch das BLfD statt. Da diese vielversprechende Ergebnisse zeigte, wurde im Anschluß das Bamberger Grabungsbüro Archäologische Dokumentation mit der planmäßigen Grabung der Restfläche beauftragt. Die Kosten hierzu trug der Bauherr, die Stadt Aschaffenburg unterstütze das Projekt durch Stellung ungelernter Hilfskräfte. Die Restaurierung der Funde übernimmt das Museum der Stadt Aschaffenburg.
Die sechswöchige Untersuchung erbrachte ein weites Spektrum an Funden und Befunden vom Laténe bis ins Mittelalter. Die Stratigrafie stellte sich als einfach heraus. Im anstehenden Sand waren noch eine Anzahl von Pfostenlöchern und einige Gruben auszumachen. Diese Befunde waren von einer hochmittelalterlichen Planierschicht abgeschnitten. Ein durchlaufender Horizont des 13./14. Jahrhunderts bildet einen Einschnitt in der mittelalterlich-neuzeitlichen Auffüllung, deren Beschaffenheit verdeutlichte, daß die Nutzung der Grundstücke als Hinterhof bis zum Beginn der mittelalterlichen Steinbebauung zurückgeht. Einige frühneuzeitliche Baubefunde zeigen jedoch, daß sich die Parzellengrenzen bis heute völlig verändert haben müssen.
Laténezeitliche Funde vom Stiftsberg liegen zwar schon seit geraumer Zeit vor, nun wurde erstmals ein Befund des Frühlaténe angeschnitten. Es handelt sich um eine kreisrunde Grube, die unter der diffusen hochmittelalterlichen Planierschicht noch ca.30 cm tief im anstehenden Sand erhalten war. Sie hat einen Durchmesser von etwa 45 cm und weitet sich nach unten leicht beutelförmig aus. Sie enthielt großteilig zerscherbte Reste mehrerer Keramikgefäße, so u.a. ein Fragment einer unverzierten Braubacher Schale und großes Gefäß in der Art einer einfachen Linsenflasche. Neben den Scherben fanden sich eine Reihe von Spinnwirteln. Die stark humose lehmige Verfüllung barg verkohlte Getreidekörner und geglühten Hüttenlehm. Bis auf ein winziges calziniertes Stück waren keine Knochenreste in der Grube enthalten.
In unmittelbarer Nähe zu dieser Grube aus der darüberliegenden Planierschicht stammen eine vollständig erhaltene und eine fragmentierte bronzene Fibel. Die unbeschädigte Fibel besteht aus nicht verziertem Bronzedraht und ist dem weitverbreiteten Duxer Typ zuzurechnen. Sie datiert in Laténe b. Ebenfalls in diese Zeitstellung dürfte mit einiger Vorsicht ein goldener Fingerring zu rechnen sein, der ebenfalls aus diesem Umfeld geborgen wurde. Der Ring besteht aus einem zweireihig in sich verschlungenen, tordierten, vierkantigen Golddraht. Für eine Datierung in Laténe b spricht die Tatsache, daß der Ring nicht plan aufliegt, sondern eine Krümmung aufweist. Er würde damit der Gruppe der in der ausgehenden Stufe Laténe b beliebten Schaukelringe angehören. Diese sind jedoch in der Regel aus einem einfachen dickeren Draht gefertigt. Grabfunde von ebenfalls aus verdrehtem Edelmetalldraht gefertigten Ringen dieser Zeit liegen, wenn auch in geringer Anzahl, aus dem gesamten mitteleuropäischen Raum vor. Jedoch weist die Schauseite der Vergleichsfunde in der Regel eine Zier durch ein geometrisches Drahtgeflecht auf, das bei unserem Ring fehlt. Das Bodenstück einer Bronzeschale aus einer benachbarten großen Grube kann erst nach der Restaurierung und der Auswertung der Begleitkeramik einem zeitlichen Horizont zugeordnet werden. Die wissenschaftliche Bearbeitung der Grabungen in der Dalbergstraße und am Theaterplatz wird zeigen, ob weitere Befunde dem Frühlaténe zuzuordnen sind.
Analog zu den Ergebnissen der Theaterplatzgrabung fanden sich auch in der Dalbergstraße eine große Zahl von Funden und einige Befunde aus der späten römischen Kaiserzeit. Neben zahlreichen Keramikfragmenten germanischer und römischer Herkunft, liegen einige interessante Kleinfunde vor, deren Datierung das Vorhandensein einer germanischen Siedlung im späten vierten und fünften Jahrhunderts immer mehr erhärten. Die Funde stammen alle aus den Planierschichten, sie sind keinem Befund zuzuordnen. Eine scheibenförmige Riemenzunge gehörte ursprünglich zur mehrteiligen Gürtelgarnitur eines römischen Legionärs. Das sehr gut erhaltene Stück besitzt in der Mitte ein Kreisauge um das in mehreren konzentrischen Kreisen ein Kerbschnittmuster läuft. Die annähernd rechteckige Nietplatte ist seitlich herzförmig durchbrochen, es deuten sich so stark stilisierte Pferdeköpfe an. Aufgrund der kreisrunden Form und der Kerbschnittverzierung datiert die Riemenzunge nach Böhme in das letzte Drittel des 4. Jahrhunderts n. Chr. Ein fragmentarisch erhaltener Dreilagenkamm mit erweiterter, halbrund eingezogener Griffplatte muß dem ostgermanischen Kulturkreis zugeschrieben werden. Diese Form ist nach U. Koch durch gotische Föderaten in den Westen gebracht worden. Vergleichsfunde datieren hier nicht vor das 5. Jahrhundert. M. Martin sieht in dieser Kammform in Gräberfeldern am Mittelrhein einen Hinweis auf burgundischen Einfluß auf die Alamannen.
Ungeklärt bleiben muß vorläufig das Alter eines am Rand der Grabungsfläche erfaßten kleinen Ofens. Er kann nach der ersten Einschätzung der aus der Verfüllung stammenden Schlackereste als Rennofen interpretiert werden. Die kleine ovale Brennkammer ist aus verstrichenem Lehm hochgezogen und noch im Aufgehenden erhalten. Der Ofen wurde im Block mit Hilfe des Museums der Stadt Aschaffenburg geborgen und wird dort weiter untersucht. Die stratigrafische Einbindung legt eine Datierung in die römische Kaiserzeit nahe.
Im Gegensatz zu den zahlreichen germanischen Funden herrscht aus der Zeit der fränkischen Eroberung eine relative Fundarmut vor. Eine Geweihscheibe stellt einen der wenigen merowingerzeitlichen Funde der Grabung dar. Der an einem Band am Gürtel getragenen Anhänger ist mit konzentrischen Kreisen und einem Zirkelschlagmotiv in der Mitte verziert.
Als mittelaterlicher Fund sei an dieser Stelle noch ein Spielzeugpferdchen genannt, das aus der Menge des kleinteilig zerscherbten Gebrauchsgeschirrs der oberen Planierschichten heraussticht. Es stammt aus der Rollierung des 13../14. Jahrhunderts. Das leicht fragmentierte Stück ist aus feinem, rötlich gebranntem Ton gefertigt und mit einer gelblichen Glasur überzogen. Ein Sattel ist angedeutet. Das seitliche Loch diente wohl zur Aufnahme eines Stöckchens mit dem das Pferd im Spiel geführt werden konnte.
J.Scherbaum
Literatur:
M.Dapper u.a., Arch. Jahr Bayern, 1996, 177, ff
U. Koch, Alamannen in Heilbronn, museo 6, 1993 (Heilbronn 1993)
H.W. Böhme, Germanische Grafunde des 4. bis 5, Jahrhunderts zwischen Elbe und Loire, Münchner Beiträge 19, 1974
L.Pauli, Der Dürrnberberg bei Hallein III, München 1978